Weihnachtsbrief Werner Buckel

Kein Platz in der Herberge, kein Euro….                                                                                                                                                                                                                                                               Weihnachten 2020

Das letzte Weihnachtsfest verbrachte ich als Tourismuspfarrer auf der kanarischen Insel Fuerteventura. Zu meinem Geburtstag im Januar waren wir einige Tage auf der Nachbarinsel Gran Canaria. Dort saßen wir abends in einem Restaurant an der Uferpromenade von der Hauptstadt Las Palmas bei warmen Temperaturen.

Eine auf den ersten Blick junge Frau mit Rucksack steckte mit zwei Wasserflaschen etwa 50 Meter auf der Strandpromenade ab, mitten in dem Menschengewirr. Dann holte sie eine Blockflöte aus ihrem Rucksack und fing an, den Bolero von Ravel auswendig zu spielen. Dazu tanzte sie im Takt die 50 Meterstrecke ab.  Danach ging sie mit einem Plastikbecher reihum in die Restaurants und bat an den Tischen um einen Euro. Beim näheren Hinsehen, erkannte ich ihr wahres Alter. Ihr Gesicht war vom Leben gezeichnet: waren es Drogen oder Krankheiten, erlittene Schicksalsschläge? Nachdem ich ihr zwei Euro gab, bedankte sie sich riesig, lachte und erklärte, wie schwer der Bolero auf einer Blockflöte  zu spielen sei. Dann ging sie zum Nachbartisch, an dem ein einzelner, sehr gut gekleideter Herr saß. Er verweigerte ihr den Euro. Ich holte aus meinem Geldbeutel einen Euro, gab ihn dem Herrn und sagte zu ihm: Geben sie der Frau den Euro, sie wird sich mit viel Freundlichkeit bedanken.

Irgendwie erinnert mich heute diese Begebenheit an die weihnachtliche Herbergssuche: Maria mit dem Jesuskind schwanger und Josef, brauchten einen Platz für die Entbindung. Von Herberge zu Herberge wurden sie abgewiesen, bis sie Platz in einem Stall fanden, in kalter und winterlicher Einsamkeit.

Nur ein Stall, nur ein Euro. Wie erbärmlich. Und doch so wertvoll: Keine Entbindung auf der Straße damals in Israel. Und ein Euro, vielleicht zur Miete in einem schäbigen Hinterhofzimmer in Las Palmas.

Erbärmlich und armselig kam Jesus, der Gottessohn, zur Welt; erbärmlich und armselig ist oft menschliches Leben. Wenigstens hatte die Flötenspielerin die Musik, die so kostbar ist. Nun feiern wir wieder das Weihnachtsfest, die Geburt von Jesus. Geben wir Gott eine Herberge in unseren Gefühlen, Herzen und Verstand. Es lohnt sich für unser Leben. Und geben wir dieses Geschenk Gottes an andere weiter: es gibt so viele Menschen wie die Flötenspielerin.

Meine Wünsche:

Ihnen/ Euch/Dir ein frohes Weihnachtsfest 2020 und Gottes reichen Segen im neuen Jahr.

Und…………………….Halte immer einen Euro bereit!

Ihr/Euer/Dein

Werner Buckel