11 Tage im Skitourenparadies Lyngenalpen

Von 25. März bis 4. April machten sich 21 Mitglieder und 3 Tourenführer der DAV Sektion Freilassing auf die Reise in den hohen Norden. In den neun Tagen vor Ort war die Gruppe acht Mal auf Tour und durfte Berge, Natur, Menschen aber auch die Naturgewalten Nordnorwegens hautnah erleben. 

Vorbereitung seit Mai 2022

Bereits im Mai 2022 begannen die Vorbereitungen für die Reise. Franz Güntner, Patrick Doppler und Christian Thiel beschlossen eine Skitourenreise für den Freilassinger Alpenverein in die Lyngenalpen zu organisieren. Nachdem die 21 Plätze für Teilnehmer nach wenigen Tagen ausgebucht waren, wurden Flüge und Unterkunft gebucht. Die ersten Infos zu Bergen und Touren gab es von Vorstand Peter Mayer, der selbst bereits zweimal mit Alpenvereinsgruppen vor Ort war. Ansonsten finden sich viele Infos zu Touren und Verhältnissen im Internet. Neben den bekannten Tourenportalen gibt es einen ausführlichen und zuverlässigen Lawinenwarndienst in Norwegen, der die Planung erleichtert. So konnte bereits im Herbst ein ausführliches Programm für die Gruppe erarbeitet werden, das dann an die Verhältnisse vor Ort angepasst wurde.

Tag 1: Die Anreise

Für die meisten Teilnehmer war es die erste Skitourenreise mit dem Flugzeug. Nachdem 24 Skiausrüstungen und jede Menge Gepäck eingecheckt waren, ging es mit Lufthansa per Direktflug von München nach Tromsö. Bereits beim Landeanflug erhielten die Fluggäste einen ersten Eindruck von der genialen Mischung aus stahlblauen Fjorden und tief verschneiten Bergen. Bei strahlendem Sonnenschein und kalten Temperaturen ging es mit Leihautos 40 Minuten weiter zur Fähre, die die Gruppe auf die Lyngenhalbinsel übersetzte. Da in Nord-Norwegen die Straßen nicht wie in Deutschland vollständig geräumt werden, sind für die Fahrt auf Schneefahrbahn alle Autos mit Spikereifen bestückt. Nach weiteren 40 Minuten Autofahrt kamen die Wintersportler in der Unterkunft an. Die typisch norwegischen Fischerhäuschen am Bootsanleger wurden bezogen und die hunderten Seesterne bewundert. Am späteren Abend folgte dann das erste der täglichen Briefings, bei denen die Teinehmer über die geplante Tour des nächsten Tages informiert wurden.

Tag 2: Russelvfjellet & LVS Training (Verschüttetensuche)

Am Sonntag ging es bei anhaltendem Kaiserwetter ans nördliche Ende der Halbinsel, nur 10 Autominuten von der Unterkunft entfernt. Der Russelvfjellet (818m) war das Ziel. Wie bei jeder Tour startete die Gruppe direkt am Meer mit Skiern. An einem Bachbett entlang führte die Spur auf ein sanft ansteigendes Plateau. Beim Blick zurück gabs zum ersten Mal diesen gigantischen Blick vom Berg auf das Meer. Über den zunehmend aufsteilenden Gipfelhang erreichten die Tourengeher nach ca. zwei Stunden das Ziel. Von dort gab es für die Teilnehmer verschiedene Abfahrts- und weitere Aufstiegsvarianten. Am Ende hatten die drei Gruppen zwischen 1.000 und 1.400 Höhenmeter im zum Teil traumhaften und unverspurten Pulverschnee absolviert. Im Anschluss gab es am Ausgangspunkt der Tour noch ein erstes LVS Training. Die Kameradenrettung stellt die größte Überlebenschance für die Verschütteten dar. Umso wichtiger ist, dass jeder Tourenteilnehmer möglichst gut auf den Ernstfall vorbereitet ist. Das Programm nach den Touren war täglich nahezu identisch: Sauna, gemeinsames Kochen, Essen und das Briefing für den kommenden Tag. Zu später Stunde bestaunten die Urlauber erstmals die grün schimmernden Nordlichter am sternenklaren Himmel.

Tag 3: Lillegalten & Storgalten

Die stabilen Lawinenverhältnisse und das Traumwetter setzten sich fort. Das nutzten die Freilassinger nicht nur für große Touren, sondern auch für knackige Abfahrten. An Tourentag zwei ging es direkt von der Unterkunft aus zunächst auf den Lillegalten (820m) und nach verschiedenen traumhaften Pulverabfahrten weiter auf den Storgalten (1.219m). Der Storgalten war der höchste Berg, der im Rahmen der Reise bestiegen wurde und auch die Abfahrt durch verschiedene Steilrinnen hatte es in sich. Dank dem weitläufigen Gelände hatten alle Teilnehmer trotz mehreren Gruppen am Berg noch geniale Verhältnisse für die Abfahrt mit Blick aufs Meer. Nach ca. 1.700 Höhenmetern erreichte die Gruppe ausgepowert aber glücklich das Hotel. 

Tag 4: Björndalstinden, Rundfjellet & Aksel Lund Svindal

Und auch am Dienstag war das Wetter für die Region ungewöhnlich stabil und Windstill. Somit war an eine Pause weiterhin nicht zu denken. Aufgrund der anspruchsvollen Tour vom Vortag wurde eine etwas gemütlichere Tour gewählt. Durch ein markantes Tal führte die Tour auf ein Plateau, von dem aus ein Teil der Gruppe den Rundfjellet (768m) und ein anderer Teil den Björndalstinden (913m) bestieg. Im Anschluss ging es gemeinsam auf eine Scharte und von dort aus durch ein steiles Kar hinunter in ein weiteres Hochtal. Ein Teil der Gruppe machte sich direkt auf den 8 km langen Rückweg zur Unterkunft, der andere Teil stieg nochmals auf zum Rundfjellet und ließ sich auf der Rückseite mit den Leihautos abholen. Es wurden erneut zwischen 800 und 1.200 Höhenmeter absolviert. Abends gab es wieder Nordlichter zu bestaunen, diesmal in Begleitung von Skistar Aksel Lund Svindal, der ebenfalls in unserer Unterkunft untergebracht war. Der sympathische Nationalheld drehte in Begleitung von den aktiven Profis Kajsa Vickhoff-Lie (Ski Alpin) und Helene Olafsen (Snowboard) ein Werbevideo für ein Boot von dem aus man Skitouren auf Inseln unternehmen kann.

Tag 5: Litle Koppangstinden

Langsam aber sicher kündigte sich der längst fällige Wetterwechsel an. Erstmals war der Himmel konstant bewölkt bei der 75-minütigen Autofahrt nach Koppangen zur südlichst gelegenen Tour der Reise. Während ein Teil der Gruppe den gemütlichen Aufstieg durch ein flaches tief eingeschnittenes Tal wählte, entschied sich der andere Teil der Gruppe für den rassigeren Aufstieg über eine Steilstufe und eine steile Rinne. Am Hochplateau trafen sich beide Gruppen wieder und gingen gemeinsam bei straffem Wind und deutlich kälteren Temperaturen in Richtung Gipfel. Nach einer längeren Querung erreichten alle Teilnehmer den Litle Koppangstinden (1.176m). Auf der Abfahrt wartete eine Mischung aus Pulverschnee und Windharschdeckel auf die Teilnehmer. Am Abend schlug dann das Wetter endgültig um und ein gewaltiger Schneesturm sorgte an den Folgetagen für Lawinenwarnstufe 4. 

Tag 6: Rundfjellnasen & LVS Training

Bei Sturm und Schneefall machte sich ein Teil der Gruppe im sicheren Gelände von der Unterkunft aus auf in Richtung Rundfjellnasen (595m). Bei schneidendem Wind und eisigen Temperaturen kehrte die Gruppe nach ca. 300 Höhenmetern um. Da das Gelände wegen der Lawinengefahr extrem flach gewählt wurde, war auch die Abfahrt dieses mal kein Genuss. Zurück in der Unterkunft wurde trotz des Sauwetters für den Nachmittag ein mehrstündiges LVS Training von den Tourenführern vorbereitet. Neben der Suche nach mehreren Verschütteten konnten die Teilnehmer an einer Sondenbar testen, wie sich verschiedene Gegenstände unter dem Schnee anfühlen, wenn man sie mit der Sonde trifft. Eine praktische Übung um im Ernstfall schneller und sicherer zu erkennen, ob man einen Verschütteten gefunden hat. 

Tag 7: Pause, LVS Training & Lawinenunglücke

Am nächsten Morgen zeigte sich das Wetter unverändert stürmisch mit noch schlechterer Sicht. Eine Tour hätte bei diesen Bedingungen schlichtweg keinen Sinn gemacht. Erneut stand für die Teilnehmer ein mehrstündiges LVS Training auf dem Programm. Die Fortschritte der Gruppe waren deutlich erkennbar. Die Teilnehmer fühlten sich zunehmend sicher bei Suche und Sondieren. An den verbesserten Zeiten zeigte sich, wie wichtig die regelmäßige Übung für den Ernstfall ist, wenn man sich im Winter im ungesicherten Gelände bewegt. Leider ereigneten sich an diesem Tag gleich mehrere Lawinenunglücke in unmittelbarer Umgebung, die es bis in die deutschen Medien schafften. Auf Skitour starben an diesem Tag ein Italiener und ein Slowene. Zudem wurde ein ganzer Bauernhof von einer großen natürlichen Lawine erfasst und ins Meer gespült. Hier verloren zwei Einheimische ihr Leben. Ein bedrückendes Gefühl, die Naturgewalt und ihre Konsequenzen in einem fremden Land so hautnah zu erleben. Aufgrund der Lawinengefahr wurden zahlreiche Ortschaften evakuiert und Straßen gesperrt und das sollte auch noch zwei Tage so bleiben.

Tag 8: Skaidevarri

Am Samstagmorgen zeigte sich das Wetter deutlich verbessert. Die Wolken hingen nicht mehr so tief und es konnte trotz der angespannten Lawinensituation eine Tour im sicheren Gelände gefunden werden. Da Straßen- und Fährverbindungen nach wie vor blockiert und die Berge rund um unsere Unterkunft eher steil waren, war die Tourenplanung gar nicht so einfach. Letztendlich ging es 700 Höhenmeter einen flachen Rücken hinauf zu einem Plateau unterhalb des Gipfels vom Skaidevarri (946m). Auch wenn die Tour nach den vorherigen Touren weniger spektakulär war, war es eine gute Möglichkeit sich im ungefährlichen Terrain wieder einen Überblick über die stark veränderten Verhältnisse zu verschaffen. Leider stellten wir bei der Rückkehr zu den Autos fest, dass eines unserer Leihautos beschädigt wurde.

Tag 9: Oldalstinden & Steinfjellet

Ein echtes Highlight wartete dann am kommenden Morgen. Bei leicht verbesserter Lawinensituation, traumhaftem Wetter aber noch immer gesperrten Straßen ließen die Umstände wieder eine größere Tour zu. Das Gelände war die perfekte Mischung aus optimalem Skigelände und Sicherheit. Über den Oldalstinden (954m) ging es weiter hinauf zum Steinfjellet (1.121m). Vom Gipfel warteten die ersten 400 HM feinster Pulverschnee auf die Gruppe. Nach einem kurzen zusätzlichen Aufstieg wechselten sich harschige Passagen mit Pulverschnee ab. Im unteren windgeschützten Bereich gab’s wieder traumhaften Pulverschnee bis wir auf Skiern wieder Meer und Autos erreichten.

Tag 10: Gillavarri

Als letzte Skitour der Reise gab es bei bedecktem Himmel und auffrischendem Wind noch einen Klassiker außerhalb der Lyngenhalbinsel. Nach einer Stunde Autofahrt nach Lyngseidet ging es zu Fuß mit Skiern auf die Fähre – Fußgänger fahren übrigens kostenlos! Nach 40 Minuten Überfahrt nach Olderdalen startete die Gruppe direkt von der Fähre auf Skiern in Richtung Gillavarri (1.169m). Über kupiertes Gelände ging es Stück für Stück in Richtung Gipfel. Nach den vielen Höhenmetern der letzten Tage erschien der letzte Gipfel etwas mühsam und zeigte sich zudem windig und eisig kalt. Nach kurzer Umziehpause wartete auf der letzten Abfahrt eine Mischung aus Harschdeckel und Pulverschnee. Vor dem örtlichen Supermarkt gab es noch ein kurzes Abschlussbier – was bei der einheimischen Bevölkerung eher für Verwunderung sorgte. Somit war auch die letzte Tour geschafft und alle Teilnehmer konnten sich gesund und munter auf die Heimreise freuen. Nach dem Packen gab es noch ein großes Restl-Essen-und-Trinken in einem der Häuser, das in einer nächtlichen Polonaise endete.

Tag 11: Abreise und bleibende Erinnerungen

Müde aber voller bleibender Eindrücke verließ die 24-köpfige Gruppe die Lyngenhalbinsel Richtung Flughafen Tromsö. Ein Teil mit dem Katamaran, um Platz fürs Gepäck in den Autos zu schaffen – der Rest mit Leihautos und Fähre. Über Frankfurt und München landeten die Ausflügler nach 16 Stunden Reisezeit samt vollständigem Gepäck wieder in Freilassing.

In Erinnerung bleiben wird den Teilnehmern und Führern eine Winterlandschaft, wie es sie bei uns zu Hause nur noch selten gibt – und das in Kombination mit dem eindrucksvollen Blick auf das Meer. In drei intensiven Trainingseinheiten wurde zudem Lawinenwissen für die Praxis vermittelt und aufgefrischt. Das Wetterglück hat der Gruppe insgesamt 8 Touren in 9 Tagen vor Ort ermöglicht, davon 4 Tage mit strahlend blauem Himmel. Das ist für diese Gegend die absolute Ausnahme. Und trotzdem war in den wenigen Schlechtwettertagen die Urgwalt des hohen Nordens zu spüren. Zu guter Letzt steht noch die Erkenntnis, dass auch mit 24 Personen eine gut organisierte und sichere Skitourenreise durchführbar ist. Mal sehen, wo die nächste Reise hingeht.